Donnerstag, 21. Mai 2009

Canossa - Wahrheit oder Mythos?



Eine recht provokante These vertritt der Frankfurter Mediävist Johannes Fried, behauptet er doch, daß sich die Ereignisse in Canossa ganz anderes abgespielt haben, als bisher angenommen. Laut Fried hätte Heinrich IV. bereits seit dem Spätsommer 1076, also bereits vor der Versammlung in Tribur, Kontakt zum Papst gesucht, um zu einer Verständigung zu gelangen und so seine innenpolitisch angespannte Lage zu entschärfen. Papst Gregor VII. ging darauf auch ein, um so eine friedliche Lösung zu erzielen. Da der Papst sich jedoch Zeit ließ mit seiner Reise nach Norden. Heinrich, der nicht gebannt in Augsburg erscheinen wollte, reiste direkt nach Italien, wo der Papst den gebannten König willkommen hieß. Nach einem rein formellen Bußakt löste der Papst laut Fried schon am 25. Januar 1077 Heinrich vom Bann. Es hatte demnach nie einen Bußgang gegeben, sondern es sei vielmehr zu einem Vertrag zwischen König und Papst gekommen.
Warum aber werden die Ereignisse anders wiedergegeben? Insbesondere der Vertrag müsse doch Erwähnung finden.
Der genauer Inhalt sei deshalb unbekannt, und ein damit zusammenhängender Pakt trat nicht mehr in Kraft, da die lombardischen Kontrahenten Gregors und den sächsischen Gegner Heinrichs den Pakt sabotierten. Um seine These zu untermauern bringt Fried einen neuen Kronzeugen ins Spiel, den Chronisten Arnulf von Mailand. Dieser berichtet tatsächlich von einem Pakt zwischen König und Papst, meint damit jedoch einem Friedenspakt, welcher unter der Bedingung stand, dass der König sich dem Gericht und Urteil Gregors stellen müsse.
Papst Gregor VII. brieflichen Zeugnisse sind mit der Existenz eines solchen Bündnisses jedoch unvereinbar, was auch der Historiker Gerd Althoff in seinem Artikel nochmals verdeutlicht. Keiner der angeblichen Bündnispartner fühlt sich in irgendeinerweise dem anderen verpflichtet. So versucht Gregor über Heinrich Gericht halten zu können, was dieser jedoch zu verhindern versucht.

Wer mehr wissen möchte:

Ein Artikel aus der f.a.z: Mythos "Canossa".
Das Essay Gerd Althoffs, erschienen in Damals: Kein Gang nach Canossa?
Der Wikipediaartikel mit Johannes Fried Neudeutung: Gang nach Canossa.

Bücher:

Johannes Fried: Der Pakt von Canossa. Schritte zur Wirklichkeit durch Erinnerungsanalyse. In: Die Faszination der Papstgeschichte. Neue Zugänge zum frühen und hohen Mittelalter. Hrsg. v. Wilfried Hartmann, Klaus Herbers.
Das Buch beleuchtet die Geschichte des Papsttums aus verschiedenen Blickwinkeln.

Weitere Infos und Bestellmöglichkeiten: Weltbild.de*, buecher.de*

Stefan Weinfurter: Canossa. Die Entzauberung der Welt.
S. Weinfurter bietet Einblick in die Hintergründe des Konfliktes. Dabei gelingt es ihm komplexe Zusammenhänge so wiederzugeben, daß auch Laien diese verstehen.

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